Holztorstraße: Vom Schandfleck zum 30-Millionen-Euro-Vorzeigequartier?

Seit Jahren ringen die Stadt und verschiedene Investoren um eine zukunftsfähige Lösung für das Areal am Eingang zur Innenstadt. Jetzt hat die Kreiswohnbau ihre Pläne vorgestellt.
In das Projekt Holztorstraße kommt wieder Bewegung: Matthias Kaufmann, Geschäftsführer der Kreiswohnbaugesellschaft (kwg), war am Donnerstagabend im Sarstedter Stadtentwicklungsausschuss zu Gast und präsentierte erstmals öffentlich die neuen Pläne für das Areal am Eingang zur Innenstadt, das seit Jahren schon zusehends verfällt. Die kwg will dort Wohnhäuser mit mehr als 90 Wohnungen sowie ein Gebäude für Gewerbe errichten. Kostenpunkt: rund 30 Millionen Euro.
Die Präsentation stieß auf großes Interesse: Rund 30 Zuhörende waren zur Ausschusssitzung im Sarstedter Stadtsaal gekommen, so viele wie selten bei politischen Sitzungen in Sarstedt. „Das Thema brennt vielen unter den Nägeln“, erkannte Bürgermeisterin Heike Brennecke (SPD) an – und gab sich optimistisch: „Ich bin sehr überzeugt von dem Projekt.“
Auch kwg-Chef Kaufmann zeigte sich zuversichtlich. Das Areal an der Holztorstraße sei aktuell ein „Schandfleck, mit dem sich Sarstedt nicht präsentieren kann“ – gleichzeitig aber auch ein „städtebauliches Sahnestück“. Die kwg sehe großes Potenzial in dem Projekt. Im Mittelpunkt steht dabei das Thema Wohnen, denn der Bedarf an neuen (Miet-)Wohnungen in der wachsenden Innerstestadt sei groß, so Kaufmann.
Auch die kwg will an die Holztorstraße umziehen
Die meisten der bestehenden Häuser auf der fraglichen Fläche sollen abgerissen werden. Die Kosten dafür – rund 1,5 Millionen Euro – soll die Stadt Sarstedt übernehmen. Direkt an der Holztorstraße will die kwg in einem ersten Bauabschnitt ein zweigeschossiges Wohnhaus (plus Dachgeschoss) mit Satteldach und bis zu 18 Wohnungen und 950 Quadratmeter Wohnfläche errichten. Dann folgt, ebenfalls an der Holztorstraße gelegen, der zweistöckige Gewerbebau mit mehr als 1000 Quadratmetern Nutzfläche. Dort will unter anderem die Stadtverwaltung Räume anmieten. Und auch die kwg will dort einziehen: Wie Kaufmann am Donnerstagabend öffentlich machte, plant die kwg, ihre Niederlassung im Sarstedter Giebelstieg perspektivisch aufzugeben, abzureißen und dort ebenfalls neue, seniorengerechte Wohnungen zu bauen.
Im rückwärtigen Teil des Areals – in Richtung Innerste – sollen nach den aktuellen Plänen drei sogenannte Punkthäuser mit fünf Stockwerken und insgesamt 75 Wohneinheiten und 4400 Quadratmetern Wohnfläche entstehen. „Wir liegen hier voll im Überschwemmungsgebiet der Innerste“, erklärte Kaufmann – deswegen werden die Gebäude auf Stelzen errichtet. Dämme zum Schutz vor Hochwasser oder Aufschüttungen seien baurechtlich nicht zulässig, so Kaufmann. Erdgeschosse gibt es nicht: Unter den Gebäuden sollen Parkplätze entstehen; Keller sind nicht vorgesehen.
Im ersten der Punkthäuser will die kwg Mietwohnungen für den freien Markt bauen, im zweiten Eigentumswohnungen, und im dritten staatlich geförderte Sozialwohnungen zu günstigeren Mieten.
Doch bevor die konkreten Planungen und irgendwann auch der Bau beginnen können, gilt es, eine wichtige Hürde zu nehmen: Noch gehören die meisten der fraglichen Grundstücke der Rehse-Gruppe, die das Areal ursprünglich einmal entwickeln wollte, dann aber aus unbekannten Gründen abgesprungen war. Die kwg muss diese Grundstücke der Rehse-Gruppe abkaufen, wenn das Projekt fortschreiten soll. „Wir haben selten so schwierige Verkaufsverhandlungen geführt“, sagte Kaufmann. Dennoch sei er zuversichtlich: Der Vertrag sei zwar noch nicht unterschrieben, aber „abschlussreif“. Die Krux: Die Rehse-Gruppe verlangt für die Grundstücke laut einer Beschlussvorlage der Sarstedter Verwaltung insgesamt 1,55 Millionen Euro – und liegt damit etwas über dem marktüblichen Bodenrichtwert. Die Differenz – rund 111.000 Euro – soll die Stadt Sarstedt bezahlen.
Stadt und kwg sind optimistisch
Mit einem Eigentümer an der Holztorstraße sei sich die kwg bislang nicht einig geworden, so Kaufmann. Das Grundstück liegt unmittelbar zwischen dem geplanten Wohn- und dem Gewerbebau. Man stehe zwar noch in Gesprächen mit dem Besitzer und habe ihm ein Angebot gemacht, „es würde aber auch ohne dieses Grundstück gehen“, so der kwg-Chef.
Auch die Stadt Sarstedt besitzt zwei Grundstücke samt Gebäuden an der Holztorstraße – eines davon steht unter Denkmalschutz, zumindest teilweise. Der Schutzstatus dieses Fachwerkhauses, in dem früher eine Gaststätte betrieben wurde, werde derzeit noch geprüft, so Bürgermeisterin Brennecke. Sollte sich herausstellen, dass das gesamte Gebäude unter Denkmalschutz steht, werde die kwg dieses nicht kaufen – wohl aber einen Teil des dazugehörigen Grundstücks. „Dann haben wir als Stadt das Gebäude an der Backe“, sagte Brennecke, gab sich aber gleichzeitig optimistisch: „Wir werden da etwas Schönes daraus machen“.
Um das Projekt Holztorstraße für die kwg finanziell abzusichern und wirtschaftlicher zu gestalten, soll ein Vertrag zwischen Stadt und kwg geschlossen werden: Der beinhalte eine „Rückfallebene“ für die kwg, erklärte Brennecke: Sollte es der Stadtverwaltung bis Ende 2027 nicht gelingen, Baurecht für das Millionenprojekt zu schaffen, verpflichtet sie sich, die Grundstücke der kwg wieder abzukaufen. Sowohl Brennecke als auch Kaufmann zeigten sich jedoch zuversichtlich, dass dieser Fall nicht eintreten werde. Darüber hinaus verpflichtet sich die Stadt, Räume im künftigen Gewerbebau anzumieten, den Abriss der alten Gebäude zu finanzieren und die Mehrkosten für die Entsorgung belasteter Böden auf dem Areal zu übernehmen. „Das Projekt wird umso wahrscheinlicher, je wirtschaftlicher wir es gestalten“, sagte Kaufmann. Und: „Es darf nicht mehr kosten, als wenn wir auf der grünen Wiese bauen würden.“
Bei den Mitgliedern des Stadtentwicklungsausschusses stießen die Pläne von Stadt und kwg auf breite Zustimmung. Karl-Heinz Esser (SPD) sagte, die Gruppe SPD/GUT befürworte das Projekt und werde es mittragen. Dirk Eichler (FDP) nannte das Vorhaben „absolut unterstützenswert“ – „alles ist besser als der jetzige Zustand.“ Von den Zuschauerinnen und Zuschauern wurde das Projekt ebenfalls begrüßt – allerdings hatten einige schon detaillierte Fragen. Reichen die vorgesehenen Parkplätze aus? Wird die Einbahnstraßenregelung auf der Holztorstraße aufgehoben? Wie werden die Wohnhäuser künftig mit Energie versorgt? Wird dem Schutz vor Hochwasser genügend Rechnung getragen? kwg-Geschäftsführer Kaufmann betonte mehrfach, dass sich das Projekt Holztorstraße in einem „sehr frühen Stadium“ befinde. „Wir werden uns noch sehr intensiv mit verschiedenen Themen auseinandersetzen müssen.“
Am Ende des Tagesordnungspunktes stimmten die Ausschussmitglieder einstimmig für die kwg-Pläne und die Anpassung des Bebauungsplanes. Über den Vertrag zwischen Stadt und kwg wollten sie noch nicht entscheiden – die Verwaltung hatte den Vertragsentwurf erst am Abend vor der Sitzung eingereicht. Darüber sollen am 7. Oktober die Stadtratsmitglieder abstimmen.