Prei­se für Bau­stof­fe stei­gen rasant: Die Fol­gen in der Regi­on – und Tipps für Bauwillige

03. Mai 2021 – Tarek Abu Ajamieh

Vie­le Bau­stof­fe sind schwe­rer zu bekom­men, die Lie­fe­rung dau­ert län­ger, und dann sind sie auch noch viel teu­rer: Fach­leu­te sehen dar­in Fol­gen der Coro­na-Kri­se – und die betref­fen im Raum Hil­des­heim viele.

Foto kwg Hildesheim Bauprojekte Ostend Hildesheim aus HiAZ
Das Hil­des­hei­mer Ostend ist die der­zeit wohl größ­te und mar­kan­tes­te Bau­stel­le in Stadt und Land­kreis Hil­des­heim. Gene­rell wird Bau­en der­zeit merk­lich teu­rer. FOTO: CHRIS GOSSMANN 

Franz David Kube­ra nimmt das Bei­spiel Däm­mung: „Wenn ein Kubik­me­ter sonst 90 Euro gekos­tet hat und das Mate­ri­al bin­nen drei Tagen gelie­fert wur­de, sind es jetzt 140 Euro, und Sie war­ten meh­re­re Wochen“, sagt der Hil­des­hei­mer Bau­un­ter­neh­mer. Albert Fischer, Bran­chen­kol­le­ge aus Elze, macht ähn­li­che Erfah­run­gen und zieht gleich ein gan­zes Ein­fa­mi­li­en­haus her­an. „Die Prei­se zie­hen um zehn bis 15 Pro­zent an“, berich­tet er. Und Kars­ten Krü­ger, Betrei­ber meh­rer Hage­bau-Märk­te in der Regi­on, erklärt ganz all­ge­mein: „Die Band­brei­te der Preis­stei­ge­run­gen ist extrem breit, von ein­stel­li­gen Pro­zent­wer­ten bis zu Verdopplungen.“

Drei Fach­leu­te aus dem Land­kreis Hil­des­heim. Drei Bei­spie­le für ein Pro­blem, das vie­le tan­gie­ren wird: Bau­stof­fe wer­den der­zeit immer teu­rer – und sind oben­drein schwe­rer zu bekom­men. Das betrifft Bau- und Hand­werks­fir­men. Es betrifft aber auch alle, die gera­de ein Haus bau­en wol­len, eben­so Behör­den und Betrie­be, die neu- oder umbau­en wol­len. Und letzt­lich betrifft es auch vie­le, die sanie­ren, aus­bau­en oder ein­fach nur eine neue Per­go­la instal­lie­ren wol­len – egal, ob sie damit eine Fir­ma beauf­tra­gen oder ob sie sich das Mate­ri­al selbst im Bau­markt zusam­men­kau­fen, um anschlie­ßend zu Ham­mer und Schrau­ber zu greifen.

Die Coro­na-Kri­se und ihre Fol­gen sind ein wesent­li­cher Grund, da sind sich die Exper­ten nicht nur im Kreis Hil­des­heim einig. Ganz grob: Im ers­ten Halb­jahr 2020 brach welt­weit die Nach­fra­ge nach Bau­stof­fen ein. Pro­duk­ti­ons­ka­pa­zi­tä­ten wur­den her­un­ter­ge­fah­ren, der glo­ba­le Roh­stoff­han­del ging mas­siv zurück, Lie­fer­ket­ten wur­den unterbrochen.

Im zwei­ten Halb­jahr zog vor allem in Chi­na die Kon­junk­tur wie­der an, auch in Euro­pa und Nord­ame­ri­ka gehör­te der Bau­sek­tor zu jenen Wirt­schafts­be­rei­chen, die nicht so stark betrof­fen waren, in denen Inves­ti­tio­nen schnell wie­der anstie­gen. Auch vor Ort ließ sich das beob­ach­ten: Die Nach­fra­ge nach Bau­land ist unge­bremst, die Ban­ken und Spar­kas­sen berich­ten von einer gestie­ge­nen Nach­fra­ge nach Immo­bi­li­en-Finan­zie­run­gen im ver­gan­ge­nen Jahr und davon, dass die­ser Trend anhält. Was die Spar­kas­se aktu­ell bestä­tigt: Die Coro­na-Pan­de­mie habe den Wunsch nach einem Eigen­heim sogar „wei­ter ver­stärkt“, die Nach­fra­ge nach neu­en Immo­bi­li­en sei grö­ßer als das Ange­bot, was ohne­hin die Prei­se treibe.

Pro­duk­ti­on und Waren­aus­tausch sind glo­bal wie­der ange­sprun­gen, hal­ten aber noch nicht wie­der mit der Nach­fra­ge Schritt. Auch, weil Last­wa­gen wegen Coro­na noch nicht wie­der so schnell über Gren­zen gelan­gen wie gewohnt, wie Kars­ten Krü­ger anmerkt. „Das ist wie ein Stau auf der Auto­bahn“, sagt Franz David Kube­ra, zeigt sich aber zuver­sicht­lich, „dass der sich auch bald wie­der auflöst“.

Albert Fischer ist da skep­ti­scher. „Noch nie“ habe er eine der­ar­ti­ge Situa­ti­on erlebt, sagt der Elzer, der mit sei­nem Unter­neh­men im pri­va­ten Haus­bau eben­so wie im Gewer­be­bau aktiv ist. „Noch nie“, das sagt der Unter­neh­mer im Gespräch zu die­sem The­ma mehr­mals – und Fischer ist kein Typ, der zu Über­trei­bun­gen neigt. „Es herrscht eine abso­lu­te Man­gel­wirt­schaft.“ Das wie­der­um sieht Kube­ra ähn­lich: „Wir haben ja immer Zyklen, aber aktu­ell ist es schon extrem.“

Auch Albert Fischer bringt das Bei­spiel Däm­mung, mehr als zwei Mona­te müs­se man zum Teil auf Plat­ten war­ten. Bewähr­te Sub­un­ter­neh­mer, selbst lang­jäh­ri­ge Part­ner, sprän­gen bei Auf­trä­gen plötz­lich ab, weil sie die Prei­se nicht hal­ten könn­ten. „Noch kom­pen­sie­ren wir das, aber ich fürch­te, das dau­ert län­ger, das wird ein gro­ßes Problem.“

Zumal es nicht nur an Coro­na und Chi­na liegt, davon ist Bau­markt- Betrei­ber Krü­ger über­zeugt. Wei­te­re Effek­te kämen hin­zu. Stei­gen­de Ener­gie­kos­ten, Pro­duk­ti­ons­pau­sen durch War­tun­gen oder Stö­run­gen bei gro­ßen Her­stel­lern, stei­gen­de Ener­gie­kos­ten, Roh­stoff-Eng­päs­se, begrenz­te Fracht­ka­pa­zi­tä­ten zu See und zu Land, Streit um den Holz­han­del zwi­schen Kana­da und den USA und noch eini­ges mehr lis­tet er auf.

„Die Situa­ti­on bei der Wie­der­be­schaf­fung schwankt zwi­schen zwei und zwölf Wochen bis hin zu Kon­tin­gen­tie­run­gen, Ver­wei­ge­rung von Bestell­an­nah­men durch die Indus­trie oder ein­fach Lie­fer­un­fä­hig­keit“, berich­tet Krü­ger. Am extrems­ten sei die Situa­ti­on aktu­ell bei Holz und kunst­stoff­hal­ti­gen Produkten.

Bau­pro­jek­te, gro­ße und klei­ne, wer­den teu­rer oder dau­ern län­ger. Oft bei­des. Das ist die Quint­essenz. Zumal man­che Vor­lie­fe­ran­ten sich die Situa­ti­on zunut­ze machen, wie Bau­un­ter­neh­mer Kube­ra beob­ach­tet. „Die rea­le Kos­ten­stei­ge­rung liegt bei zwei Pro­zent, aber unter Ver­weis auf die all­ge­mei­ne Lage wer­den gern mal zehn Pro­zent drauf­ge­schla­gen“, nennt er ein Beispiel.

Auf der ande­ren Sei­te schla­gen deut­sche Wald­be­sit­zer Alarm. Sie haben, nicht zuletzt „dank“ des Bor­ken­kä­fers, viel Fich­ten­holz parat. Doch ihr Dach­ver­band beklagt, die Indus­trie spei­se sie trotz hoher Nach­fra­ge und galop­pie­ren­der Welt­markt­prei­se mit viel zu nied­ri­gen Sum­men ab. Der Prä­si­dent des Deut­schen Forst­wirt­schafts­ra­tes, Georg Schirm­beck, rief die Wald­be­sit­zer in Deutsch­land inzwi­schen sogar zum „Säge­streik“ auf, weil sie von weni­gen, den Markt domi­nie­ren­den Han­dels­kon­zer­nen „abge­zockt“ würden.

Wer ein klei­nes Pro­jekt hat, muss wohl mit knap­pem Mate­ri­al und stei­gen­den Prei­sen leben. Wer grö­ße­res vor­hat, zum Bei­spiel den Bau eines Ein­fa­mi­li­en­hau­ses, steht schon vor gra­vie­ren­den Fra­gen. Und soll­te vor allem auf eine bestimm­te Klau­sel ach­ten, rät Franz David Kube­ra. Näm­lich die, dass im Bau­ver­trag Fest­prei­se ver­an­kert sind und nicht etwa die Opti­on, Preis­stei­ge­run­gen an den Bau­herrn weiterzugeben.

Auch Albert Fischer rät da zur Auf­merk­sam­keit, betont aller­dings: „Bei uns ist das ohne­hin Stan­dard.“ Wer Bau­plä­ne hege, sol­le sich im Moment aber schnel­ler ent­schei­den. Das sagt der Unter­neh­mer zwar auch mit Blick auf bei ihm noch ver­füg­ba­re Bau­plät­ze in Meh­le, aber auch all­ge­mein: „Je län­ger man war­tet, des­to stär­ker wer­den sich die Preis­stei­ge­run­gen nie­der­schla­gen. Das kann viel aus­ma­chen.“ Das es zu einer Ent­span­nung, lang­fris­tig wie­der zu sin­ken­den Prei­sen kommt, glaubt er der­zeit eher nicht.

„Auch wir sind von den Preis­an­pas­sun­gen und Lie­fer­eng­päs­sen unse­rer Vor­lie­fe­ran­ten stark betrof­fen“, berich­tet Ulri­ke Scha­per, Che­fin der Fir­ma Albert Scha­per, Hoch- und Inge­nieur­bau. Zum einen ent­wick­le sich das Preis­ge­fü­ge „explo­si­ons­ar­tig nach oben“, zum ande­ren wür­den län­ge­re Lie­fer­fris­ten beim Mate­ri­al auch zu län­ge­ren Bau­zei­ten füh­ren. Wei­te­rer Effekt: „Wir sind gezwun­gen, die Bin­de­fris­ten unse­rer Ange­bo­te zu ver­kür­zen.“ Scha­per hofft, dass sich die Situa­ti­on bis zum Jah­res­en­de wie­der beruhigt.

Doch man muss gar kein Haus bau­en wol­len, um betrof­fen zu sein. Das zeigt das Bei­spiel der kwg. Geschäfts­füh­rer Mat­thi­as Kauf­mann berich­tet: „Wenn wir sonst zehn bis zwölf Bau­fir­men ange­schrie­ben haben, haben wir immer von drei bis fünf von ihnen Ange­bo­te bekom­men. Jetzt meist nur von einem, manch­mal von gar keinem.“

So fehlt für das aktu­el­le Mehr­fa­mi­li­en­haus-Vor­ha­ben in Hase­de ein Tief­bau­er. Die kwg setzt auf Fest­prei­se, schließ­lich will sie ihren künf­ti­gen Mie­tern auch fes­te Miet­prei­se nen­nen. Doch wenn die Bau­fir­men selbst mit ihren Lie­fe­ran­ten kei­ne Fest­prei­se ver­ein­bart haben, kom­men sie schnell in die Lage, dass die Annah­me eines Auf­trags sich für sie gar nicht mehr loh­nen wür­de. So wird zwar viel­leicht nicht die Mie­te teu­rer, aber das Miet­haus spä­ter fertig.

Kauf­mann zeigt sich ähn­lich skep­tisch wie Fischer bei der Fra­ge, ob die aktu­el­le Situa­ti­on vor­über­ge­hend oder dau­er­haft ist. „Die Bau­prei­se haben sich in den ver­gan­ge­nen Jah­ren ohne­hin schon – auch vor Coro­na – von der all­ge­mei­nen Lohn- und Preis­ent­wick­lung ent­kop­pelt“, stellt er fest. „Wenn das so wei­ter­geht, bekom­men wir als Gesell­schaft ein Pro­blem.“ Denn dann kön­ne eine Lage ein­tre­ten, in der sich der Woh­nungs­bau schlicht nicht mehr loh­ne – weil Woh­nun­gen zur Refi­nan­zie­rung der Kos­ten so teu­er wer­den müss­ten, dass es wie­der­um mög­li­che Mie­ter über­for­de­re. Ana­log wür­de das dann auch für pri­va­te Bau­vor­ha­ben gelten.

Es wirkt, als wür­de die Coro­na-Kri­se die Bau­wirt­schaft doch noch ein­ho­len, nach­dem der Immo­bi­li­en­markt lan­ge immun dage­gen zu sein schien. Für Franz David Kube­ra wäre das sogar logisch: „Wir leben in einem Wirt­schafts­raum. Wenn so vie­le Tei­le davon von der Kri­se betrof­fen sind, spü­ren das irgend­wann auch ande­re Bereiche.“

IN ZAHLEN

20

Pro­zent teu­rer als im Sep­tem­ber 2020 war im April die­ses Jah­res das Bau­holz, sagt das Sta­tis­ti­sche Bun­des­amt, aus der Pra­xis wer­den zum Teil aber noch deut­lich höhe­re Wer­te gemeldet.

30

Pro­zent soll der Preis­an­stieg dem­nach beim Beton­stahl im Durch­schnitt betragen.

50

Pro­zent sind es laut Sta­tis­ti­schem Bun­des­amt bei Dämm­stoff – jenem Mate­ri­al also, das auch von hie­si­gen Bau­un­ter­neh­mern als beson­ders kras­ses Bei­spiel genannt wird.

„Finan­zie­run­gen flie­gen Fir­men um die Ohren“

Die Preis­explo­si­on bei Bau­stof­fen trifft nicht nur Sand und Holz, son­dern alle Sor­ti­men­te: Der Groß­han­del hat Maler­meis­ter Tho­mas Barth bereits signa­li­siert, dass wohl bald nicht mehr alle Far­ben lie­fer­bar wären. „Von dem Eng­pass betrof­fen schei­nen vor allem kunst­stoff­ba­sier­te Far­ben wie Disper­si­ons­far­ben zu sein“, sagt Barth. Fol­ge: Ware wird nicht nur knapp, son­dern auch immer teu­rer. „Es gibt bereits Hams­ter­käu­fe, Betrie­be kau­fen Pro­duk­te palet­ten­wei­se und legen sie aufs Lager.“ Lager­hal­tung galt lan­ge als über­holt, „just in time“ war die Devi­se – „was uns nun auf die Füße fällt“, so Barth. Die galop­pie­ren­den Prei­se mach­ten Kal­ku­la­tio­nen immer schwe­rer. Gal­ten Ange­bo­te frü­her Mona­te, kön­nen Betrie­be nur noch kurz­fris­ti­ge Bin­dun­gen zusa­gen. Eine Dach­de­cke­rei befürch­tet sogar, ihre Leu­te in Kurz­ar­beit schi­cken zu müs­sen, obwohl die Auf­trags­bü­cher voll sind. Grund: Mate­ri­al­man­gel. „Prei­se haben sich ver­dop­pelt inner­halb von zwei Mona­ten, und trotz­dem bekommt man keins.“ „Frü­her kos­te­te der Meter Dach­lat­te 65 Cent, nun zwei Euro“, sagt Chris­ti­an Burk, der für Warm­bold Türen, Tore, Fas­sa­den mon­tiert. „Selbst Sili­kon ist teu­rer.“ Ers­te Betrie­be hät­ten schon Insol­venz anmel­den müs­sen, so Dach­de­cker Lars Bigel­mann: „Fir­men haben Ver­trä­ge geschlos­sen, die sie nicht mehr zu dem Preis erfül­len kön­nen, Finan­zie­run­gen flie­gen ihnen um die Ohren, da der Preis nicht mehr stimmt.“ ha

Quel­le: Hil­des­hei­mer All­ge­mei­ne Zei­tung, 03.05.2021