Nicht von Inklu­si­on reden, son­dern machen: Sar­sted­ter Kip­p­hut-WG kurz vor Start

Jun­ge Män­ner und Frau­en wol­len über Kita ins kwg-Gebäu­de zie­hen / Fra­ge nach Finan­zie­rung und Per­so­nal noch nicht geklärt

Noch sind die Zim­mer leer, aber Lukas Ber­no­t­eit, Saskia Dede, Mar­kus Helms (von links) und ihre zukünf­ti­gen WG-Mit­be­woh­ner und ‑Mit­be­woh­ne­rin­nen freu­en sich auf ein selbst­stän­di­ges, nor­ma­les Leben in der WG Am Kipp­hut. Fotos: Sabri­na Kleinertz

Von Sabri­na Kleinertz

Sar­stedt. Es ist eine beson­de­re Wohn­ge­mein­schaft (kurz: WG), aber irgend­wie auch nicht. Denn im Neu­bau der kwg am Kipp­hut wol­len ein­fach ein paar jun­ge Men­schen zusam­men­zie­hen. Dass sie ein Han­di­cap haben – für sie, ihre Eltern und die Hel­fer nicht der Rede wert.

„Ich wür­de gern den Schritt wagen, etwas eige­nes zu haben“, sagt Mar­kus Helms. Der jun­ge Mann ver­steht sich „blind“ mit sei­ner Mut­ter, aber scherzt: „Man merkt schon, dass unse­re Inter­es­sen bei der Fei­er­abend­ge­stal­tung auseinandergehen.“

Ähn­lich wie ihm geht es auch vier wei­te­re jun­gen Men­schen, die sich ihre Zim­mer im ers­ten Stock bereits aus­ge­sucht haben. Sie alle wol­len flüg­ge wer­den, von zu Hau­se aus­zie­hen – wie das im jun­gen Erwach­se­nen­al­ter nun mal nor­mal ist. Doch durch die jewei­li­gen Han­di­caps ist das schwer. Plät­ze in ähn­li­chen Wohn-Pro­jek­ten sind rar und meist sehr weit weg.

Dazu kommt die Fra­ge der Finan­zie­rung. Unter ande­rem über Wohn­gel­der oder Sozi­al­leis­tun­gen sol­len sich die anfal­len­den Kos­ten decken. Die WG-Bewoh­ner und ‑Bewoh­ne­rin­nen mie­ten jeweils ihr eige­nes Zim­mer und die Gemein­schafts­räu­me antei­lig von den Johan­ni­tern. „Es muss nur noch geklärt
wer­den, aus wel­chen Töp­fen wie viel Geld fließt“, sagt Nadi­ne Abmei­er, die sich ehren­amt­lich im Pro­jekt enga­giert. Daher ist der­zeit auch noch unklar,  wann die jun­gen Frau­en und Män­ner ihre WG bezie­hen können.

Ins­ge­samt zehn Zim­mer zwi­schen 14 und 20 Qua­drat­me­tern bie­tet die WG. Drei der licht­durch­flu­te­ten Räu­me samt eige­nem Bad ste­hen noch leer.

Angst vor dem Schritt in die Selbst­stän­dig­keit haben weder die Bald-Bewoh­ner und ‑Bewoh­ne­rin­nen, noch deren Eltern. „Was wäre die Alter­na­ti­ve?“, fragt Lukas Ber­no­t­eit rhe­to­risch, „Wir haben nichts zu ver­lie­ren, wenn das Zusam­men­le­ben doch nicht funk­tio­nie­ren sollte.“

In der Wohn­ge­mein­schaft am Kipp­hut gibt es noch freie Zimmer.

Den Berich­ten der WG-Anwär­ter und ‑anwär­te­rin­nen und deren Eltern zufol­ge ist es gera­de für jun­ge Men­schen, die durch Behin­de­rung, Unfall oder Krank­heit auf Unter­stüt­zung ange­wie­sen sind, beson­ders schwer, das Eltern­haus zu ver­las­sen. Die Abhän­gig­keit im All­tag ist groß, das Ange­bot für selbst­stän­di­ges Woh­nen mit Hil­fen wie Pfle­ge- und Rei­ni­gungs­kräf­ten klein. „Über­all wird von Inklu­si­on gere­det, aber sie fin­det nicht statt“, bemän­gelt Lukas Ber­no­t­eit, und sei­ne zukünf­ti­gen Mit­be­woh­ner und Mit­be­woh­ne­rin­nen pflich­ten ihm bei. „Ich will nicht stän­dig über mei­ne Behin­de­rung defi­niert wer­den. Wir ver­su­chen hier ein­fach nur unser Leben als nor­ma­le Men­schen zu leben“, sagt Mar­kus Helms.

Neben der genau­en Finan­zie­rung stellt auch die Per­so­nal­fra­ge die Bewoh­ner und Bewoh­ne­rin­nen, ihre Eltern und Pro­jekt­ko­or­di­na­tor Tho­mas Mül­ler der­zeit vor Her­aus­for­de­run­gen. „Wir brau­chen Pfle­ge- und Betreu­ungs­kräf­te für 24/7“, erklärt Mül­ler. Der all­ge­mei­ne Fach­kräf­te­man­gel in der Bran­che macht auch der WG zu schaf­fen. Etwa 15 bis 20 Voll- und Teil­zeit­be­schäf­tig­te wären nötig, um die jun­gen Men­schen zu unter­stüt­zen. Man hof­fe auf Bewer­bun­gen und noch den einen oder ande­ren poten­zi­el­len Mit­be­woh­ner. „Ich freue mich ein­fach auf den Kon­takt zu Gleich­alt­ri­gen, die in ähn­li­cher Situa­ti­on und mit ähn­li­chen Pro­ble­men wie ich leben“, sagt Lukas Ber­no­t­eit und meint: „Das ist mei­ne größ­te Vorfreude.“

WG-Inter­es­sier­te kön­nen sich tele­fo­nisch bei Thors­ten Mül­ler unter 01590 48 66 812 oder per Mail unter Leineaue@vswh.de melden.

Quel­le: Hil­des­hei­mer All­ge­mei­ne Zei­tung, 08.02.2023