Sozi­al­quo­te für Woh­nun­gen? Poli­tik will zunächst nur einen Run­den Tisch

24. Juni 2022 – Andre­as Mayen

Rats­mit­glie­der wol­len für Sep­tem­ber Fach­leu­te ein­la­den / Ver­wir­rung um Vor­la­ge der Sar­sted­ter Stadt­ver­wal­tung: Zunächst ohne Beschlusstext

Auf dem ehe­ma­li­gen Bau­hof gegen­über der alten Feu­er­wa­che baut die kwg eine Wohn­an­la­ge mit 48 Woh­nun­gen. FOTO: ANDREAS MAYEN

Sar­stedt. Für die Kreis­wohn­bau­ge­sell­schaft (kwg) ist Sar­stedt neben Hil­des­heim der stärks­te Woh­nungs­markt. In den ver­gan­ge­nen 20 Jah­ren hat sich die Leer­stands­quo­te der kwg kon­ti­nu­ier­lich Rich­tung Null­li­nie ent­wi­ckelt. Die Kreis­wohn­bau ist das Woh­nungs­bau­un­ter­neh­men des Land­krei­ses und der Kom­mu­nen. Die Stadt Sar­stedt hält einen Anteil von neun Pro­zent. „Die Nach­fra­ge ist höher als das Ange­bot“, sagt Geschäfts­füh­rer Mat­thi­as Kauf­mann. Für Ver­mie­ter ist das eine gute Situa­ti­on. Doch wer eine Woh­nung sucht, trifft in sol­chen Regio­nen auf ein gerin­ges Ange­bot und hohe Mieten.

Sar­sted­ter Rats­po­li­ti­ker wol­len dem Pro­blem jetzt an den Kra­gen. Ursprüng­lich soll­te der Stadt­rat auf Antrag der Grü­nen-Frak­ti­on eine Sozi­al­quo­te von 30 Pro­zent für Neu­bau­pro­jek­te fest­le­gen. Doch die Poli­ti­ker konn­ten sich im Früh­jahr nicht auf einen mehr­heits­fä­hi­gen Beschluss eini­gen (die HAZ berich­te­te). In der jüngs­ten Sit­zung des Stadt­ent­wick­lungs­aus­schus­ses haben die Aus­schuss­mit­glie­der jetzt ein­stim­mig die Ein­rich­tung eines Run­den Tisches mit Fach­leu­ten gefor­dert. Die ers­te Sit­zung ist für den Sep­tem­ber geplant.

Als Teil­neh­mer wol­len die Poli­ti­ker neben Mat­thi­as Kauf­mann auch Mat­thi­as Gün­ther, Vor­stand des Pest­el-Insti­tuts aus Han­no­ver, laden. Mit Hil­fe wirt­schaft­li­cher und demo­gra­fi­scher Fak­to­ren erstellt das Insti­tut Woh­nungs­markt­ana­ly­sen und berech­net Sze­na­ri­en für die zukünf­ti­ge Situa­ti­on des Woh­nungs­mark­tes. Zudem sol­len Ver­tre­ter von Mie­ter- und Ver­mie­ter­ver­bän­den ein­ge­la­den werden.

“Die Bau­prei­se sind gegen­über den Ver­brau­cher­prei­sen um Fak­tor 3 gestiegen.”

Mat­thi­as Kauf­mann, kwg-Geschäfts­füh­rer

Die kwg ver­mie­tet aktu­ell in Sar­stedt 1153 Woh­nun­gen, davon ste­hen sie­ben Woh­nun­gen leer. „Bis drei Pro­zent Leer­stands­quo­te geht man von einer Voll­ver­mie­tung aus“, sagt Kauf­mann. Der durch­schnitt­li­che Miet­preis für Woh­nun­gen, die vor zehn Jah­ren schon im Bestand waren, liegt bei 5,78 Euro pro Qua­drat­me­ter. Das sind knapp 20 Pro­zent mehr als vor zehn Jah­ren. Im glei­chen Zeit­raum haben sich die Ver­brau­cher­prei­se um gut 21 Pro­zent erhöht. „Unse­re Prei­se stei­gen unge­fähr mit dem all­ge­mei­nen Preis­ni­veau.“ Bei den Prei­sen für Neu­bau­ten sieht das anders aus. Kauf­mann: „Die Bau­prei­se sind gegen­über dem Ver­brau­cher­preis­in­dex um den Fak­tor 3 gestiegen.“

Ein Punkt aus dem Beschluss­vor­schlag der Grü­nen ist die Unter­stüt­zung von nicht­ge­winn­ori­en­tier­ten Immo­bi­li­en­un­ter­neh­men zum Bau von geför­der­tem Wohn­raum. Für den Bau der­ar­ti­ger Woh­nun­gen erhal­ten die Inves­to­ren ver­güns­tig­te Kre­di­te der NBank. Dafür sind die Mie­ten für 30 Jah­re gede­ckelt und es dür­fen nur Mie­ter mit einem Berech­ti­gungs­schein des Sozi­al­am­tes ein­zie­hen. Die kwg hat der­zeit nur noch sie­ben Sozi­al­woh­nun­gen im Bestand. Vie­le alte Woh­nun­gen sind nach den 30 Jah­ren aus der Sozi­al­pflicht gefal­len. „Die Prei­se von nicht mehr geför­der­ten Woh­nun­gen unter­schei­den sich kaum von den aktu­ell noch geför­der­ten Woh­nun­gen“, sagt Mat­thi­as Kaufmann.

Der­zeit plant die kwg eine Wohn­an­la­ge auf dem Are­al des frü­he­ren Bau­hofs gegen­über der alten Feu­er­wa­che. Dort sol­len 48 Woh­nun­gen ent­ste­hen, von denen 36 Woh­nun­gen öffent­lich geför­dert wer­den und damit die kom­men­den Jahr­zehn­te nur mit Berech­ti­gungs­schein zu einem fest­ge­leg­ten Preis ver­mie­tet wer­den dür­fen. Für geför­der­te Neu­bau­ten ruft die kwg in Sar­stedt 5,90 Euro, unge­för­der­te Neu­bau­ten kos­ten zwi­schen 7 und 10 Euro pro Quadratmeter.

Ver­wir­rung gab es in der Sit­zung um die Vor­la­ge. Der Bereich für den Beschluss­text war am Anfang leer und wur­de erst in der Sit­zung for­mu­liert. Gleich­zei­tig hat­te die Stadt­ver­wal­tung eine älte­re Vor­la­ge ange­fügt, die schon im März aus der Gre­mi­en­rei­hen­fol­ge genom­men wur­de. Da dies aber aus den Unter­la­gen nicht ersicht­lich war, stell­te CDU-Frak­ti­ons­chef Fried­helm Pri­or dem Antrags­stel­ler Johan­nes Här­ke (Grü­ne) dazu Fra­gen. Der Aus­schuss­vor­sit­zen­de Mar­tin Rein­ckens (SPD) hin­der­te ihn mehr­mals dar­an. Das woll­te Pri­or sich aber nicht gefal­len las­sen: „Ich habe ein Recht, hier in die­sem Aus­schuss Fra­gen zu stel­len. Wenn Sie das nicht wol­len, ent­zie­hen Sie mir das Wort.“

Quel­le: Hil­des­hei­mer All­ge­mei­ne Zei­tung / Sar­sted­ter Anzei­ger vom 24.06.2022