Neubauten gegenwärtig weder für Bauherren noch für künftige Mieter bezahlbar – Bauministerium plant Gebäudetyp mit reduzierten Vorschriften
Von Theresa Münch
Einfachere Wohnungen könnten aus Sicht der Baubranche den Wohnungsbau in Deutschland voranbringen. Aktuell werde oft unnötigerweise Goldstandard gebaut – mit zu hohen Kosten, sodass die Wohnungen kaum noch bezahlbar seien, erklärten sieben Wohnungsbauverbände. Angesichts der dramatischen Krise im Wohnungsbau forderte das Bündnis die Politik auf, Standards infrage zu stellen.
Staatliche Förderung sei im Moment ausgerichtet an teurem Bauen mit hohen Effizienzstandards, kritisierte der Präsident des Bundesverbands deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmen, Axel Gedaschko. Nötig sei aber „nicht Zuckerguss fördern, sondern das bezahlbare Schwarzbrot“. Aktuell sei Neubau weder für den Bauherren noch für die künftigen Mieterinnen und Mieter bezahlbar. Deshalb entstünden in Deutschland nicht genügend neue Wohnungen.
Tatsächlich steckt der Wohnungsbau in einer Krise: Bundesweit fehlen Hunderttausende Wohnungen. Nach einer Prognose des Forschungsnetzwerks Euroconstruct dürften 2026 in Deutschland 175 000 Wohneinheiten fertiggestellt werden – 95 000 weniger als 2023 und weit entfernt vom Ziel der Bundesregierung von 400 000 Wohnungen im Jahr. Inzwischen fehlen in Deutschland laut Bauforschungsinstitut Arge etwa 800 000 Wohnungen – vor allem bezahlbare.
Zugleich brechen die Baugenehmigungen ein. Laut Wirtschaftsministerium gingen die Wohnungsbaugenehmigungen im 2023 um mehr als ein Viertel zurück. Das liegt laut einer aktuellen Studie des Bauforschungsinstituts Arge auch daran, dass die Baukosten in den letzten vier Jahren in Großstädten um 42 Prozent gestiegen sind. Gleichzeitig zogen die Bauzinsen an.
Bundesbauministerin Klara Geywitz (SPD) erklärte, ein neuer Gebäudetyp mit reduzierten Vorschriften sei bereits in Arbeit. Aktuell „steht jedes Mal ein Mercedes auf der Baustelle, wenn wir ein Haus bauen“, sagte die Politikerin. „Und viele dieser Vorschriften sind nicht notwendig, um ein gutes und um ein sicheres Haus zu bauen.“
Die Wohnungsbaukrise könnte einer zweiten Studie der Beratungsfirma DIW Econ im Auftrag des Verbändebündnisses Wohnungsbau zufolge auch die gesamte deutsche Wirtschaft hart treffen. Der erwartete Rückgang beim Wohnungsbau um 5 Prozent werde allein in diesem Jahr schon zu Steuermindereinnahmen von 5 Milliarden Euro führen. Auch Arbeitsplätze könnten verloren gehen.
Der Wohnungsbau sei eine soziale, aber auch eine ökonomische Säule des Landes, sagte Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne). „Ohne eine Wohnungswirtschaft im Aufschwung oder unter Last kann kein ökonomischer Aufschwung gelingen“, betonte der Politiker.
Quelle: Hildesheimer Allgemeine Zeitung | 12.04.2024