Das sagen die größ­ten Ver­mie­ter in Stadt und Kreis Hil­des­heim zur Zukunft des Heizens

Hil­des­heim – gbg und kwg haben teil­wei­se unter­schied­li­che Erwar­tun­gen – doch mit Blick auf die Belas­tung ihrer Mie­ter sind sie sich einig. Was sagt der Mie­ter­ver­ein? Und wel­che gesetz­li­chen Ände­run­gen für Ver­mie­ter und Mie­ter sind geplant?

von Tarek Abu Ajamieh

Hil­des­heim – Hei­zen wird künf­tig eher teu­rer – davon sind die Ver­ant­wort­li­chen der bei­den gro­ßen kom­mu­na­len Woh­nungs­bau­ge­sell­schaf­ten kwg und gbg über­zeugt. Und zwar unab­hän­gig davon, wel­che Tech­nik am Ende wo zum Ein­satz kommt. Zugleich set­zen sie gro­ße Hoff­nun­gen in den Aus­bau von Wär­me­net­zen, haben aber zu Was­ser­stoff unter­schied­li­che Einschätzungen.

„Die Heiz­kos­ten wer­den auf­grund der all­ge­mei­nen Ent­wick­lung bei Roh­stof­fen, CO2-Beprei­sung und mehr Strom­ver­brauch für Hei­zun­gen sicher stei­gen“, ist Mat­thi­as Kauf­mann, Geschäfts­füh­rer der Kreis­wohn­bau­ge­sell­schaft kwg, über­zeugt. Und mahnt: „Wir wün­schen uns Unter­stüt­zung von der öffent­li­chen Hand, damit die­se Preis­stei­ge­run­gen nicht zu sozia­len Ver­wer­fun­gen führen.“

Sym­pa­thie für Fernwärme

Eine „geziel­te und sozi­al gerech­te Ent­las­tung sozi­al schwa­cher Haus­hal­te“, for­dert auch Jens Mahn­ken, Chef der Gemein­nüt­zi­gen Bau­ge­sell­schaft Hil­des­heim (gbg). Er ist mit sei­ner Preis-Pro­gno­se zwar etwas vor­sich­ti­ger und sagt: „Wie sich die Heiz­kos­ten in den nächs­ten Jah­ren ent­wi­ckeln, kann der­zeit nie­mand seri­ös vor­aus­sa­gen.“ Dass sie nach oben gehen, hält er aller­dings für sehr wahr­schein­lich: „Mit Blick auf die Inves­ti­ti­ons­sum­men, die für die Umstel­lung der Ener­gie­ver­sor­gung in den nächs­ten Jah­ren not­wen­dig wer­den, wird das nicht spur­los an Unter­neh­men und End­ver­brau­chern vor­bei­ge­hen“, sagt Mahnken.

Bei­de Fir­men­chefs offen­ba­ren bei der Hei­zungs­wen­de eine gro­ße Sym­pa­thie für Fern­wär­me. „Die Nut­zung des Fern­wär­me­net­zes ist aus Sicht der gbg die bes­te Opti­on“, macht Mahn­ken deut­lich, dass er in die von der EVI bereits ange­kün­dig­te Ver­drei­fa­chung des Fern­wär­me-Absat­zes in Hil­des­heim gro­ße Hoff­nun­gen setzt. „Wo Heiz­wer­ke oder Bio­gas­an­la­gen sind, ist der Anschluss unse­rer Immo­bi­li­en immer die ers­te Wahl“, sagt auch kwg ‑Geschäfts­füh­rer Kauf­mann. Das sei schon jetzt in Sar­stedt, Bad Salz­det­furth, Bocke­nem oder Hil­des­heim der Fall.

Viel­schich­tig heizen?

In Sar­stedt, einem ihrer wich­tigs­ten Stand­or­te, plant die kwg zudem ein grö­ße­res Geo­ther­mie-Pro­jekt in einem Mehr­fa­mi­li­en­haus-Quar­tier im Stadt­teil Gie­belstieg – es soll ein Stück weit Pilot­cha­rak­ter bekom­men. Ursprüng­lich soll­te der Bau bereits in die­sem Jahr begin­nen, inzwi­schen peilt Kauf­mann wegen büro­kra­ti­scher Ver­zö­ge­run­gen das nächs­te Jahr an.

Dar­über hin­aus betont vor allem der kwg-Chef, „dass es abso­lut wich­tig ist, viel­schich­tig zu hei­zen und die Last auf alle Mög­lich­kei­ten zu ver­tei­len“. Eine Patent­lö­sung gebe es dabei nicht. Wär­me­pum­pen zum Bei­spiel sei­en ohne Fra­ge ein wesent­li­cher Bestand­teil auf dem Weg zur Kli­ma­neu­tra­li­tät, aber eben bei­lei­be nicht der ein­zi­ge. Dabei sei­en Erd­wär­me­pum­pen für grö­ße­re Ein­hei­ten bes­ser geeig­net als Luft-Wär­me­pum­pen, die eher zu klei­ne­ren Gebäu­den wie etwa Ein­fa­mi­li­en­häu­sern passten.

Wär­me aus Flüssen?

Doch Kauf­mann for­dert auch Offen­heit für ande­re Tech­no­lo­gien. Dass vie­le Exper­ten sehr skep­tisch sind, ob Was­ser­stoff für das Hei­zen von Wohn­häu­sern in der Zukunft eine gro­ße Rol­le spie­len wird, weiß er zwar. Den­noch hält er den Ein­satz für beden­kens­wert: „Die Behei­zung mit Was­ser­stoff ist aus Anla­gen­sicht sicher die preis­wer­tes­te Vari­an­te, beson­ders gut geeig­net für klei­ne­re Ein­hei­ten mit vor­han­de­nem Gas­an­schluss“, sagt er.

Nicht zuletzt, weil in den meis­ten Immo­bi­li­en ja bereits Gas­hei­zun­gen und Anschlüs­se vor­han­den sind. Das müs­se bei allen Über­le­gun­gen berück­sich­tigt wer­den. Doch auch öffent­lich noch wenig bekann­te Kon­zep­te wie die Wär­me­ge­win­nung aus Flüs­sen ver­folgt er mit gro­ßem Inter­es­se. Im Herbst soll in Mann­heim eine gro­ße Fluss­wär­me­pum­pe in Betrieb gehen – Kauf­mann ist gespannt, wie sie lau­fen wird.

Fol­gen für die Mieten?

Einen etwas ande­ren Ansatz rückt unter­des­sen Jens Mahn­ken von der gbg in den Fokus. Zu prü­fen sei in vie­len Fäl­len, ob Luft­wär­me­pum­pen bereits vor­han­de­ne Gas-Hei­zun­gen ergän­zen könn­ten – letz­te­re soll­ten dann nur noch Spit­zen­las­ten abde­cken. Die soge­nann­te Hybrid­lö­sung also, die auch Fach­leu­te für bestimm­te Gebäu­de für die mög­li­cher­wei­se zunächst bes­te Lösung halten.

Nach dem end­gül­ti­gen Aus für fos­si­le Hei­zun­gen im Jahr 2045 – oder in Nie­der­sach­sen viel­leicht schon 2040, wenn das geplan­te Kli­ma­ge­setz wirk­lich in vol­ler Schär­fe kommt – könn­te dann grü­ner Was­ser­stoff als Brenn­stoff ein­sprin­gen, Gas-Anla­gen könn­ten eben auch dann wei­ter genutzt wer­den. Grund­sätz­lich erwar­tet Mahn­ken wie die meis­ten Exper­ten den Ein­satz von Was­ser­stoff aber eher in der Industrie.

Mie­ten ein­fach erhöhen?

Dass die Hei­zungs­wen­de die Miet­prei­se mas­siv nach oben trei­ben könn­te, glaubt kwg-Chef Mat­thi­as Kauf­mann indes unab­hän­gig von den gesetz­li­chen Rege­lun­gen zu die­sem The­ma nicht: „Die Mie­te wird ja von der Markt­mie­te bestimmt.“ Was er damit meint: Selbst wenn er hohe Inves­ti­tio­nen umle­gen dürf­te, könn­te er das nicht ein­fach so machen. „Weil der Markt das nicht her­gibt“, so Kauf­mann. Ob es bei sta­gnie­ren­dem Woh­nungs­bau und stei­gen­der Nach­fra­ge nach Woh­nun­gen aller­dings dabei bleibt, ist ungewiss.

Spieth for­dert Leitplanken

Mit Argus­au­gen ver­folgt Vol­ker Spieth, Geschäfts­füh­rer des Mie­ter­ver­eins Hil­des­heim, die Debat­te. Wobei er berich­tet, dass die Hei­zungs­wen­de bei den meis­ten Mie­te­rin­nen und Mie­tern aktu­ell gar nicht das gro­ße The­ma sei: „Aktu­ell geht es bei den meis­ten Anfra­gen noch um die Neben­kos­ten-Abrech­nun­gen für das ver­gan­ge­ne Jahr, die gestie­ge­nen Ener­gie­prei­se und die Umset­zung der Dezem­ber­hil­fe.“ Er sei aber sicher, dass das Hei­zungs­ge­setz und sei­ne Fol­gen den Ver­ein in den nächs­ten Mona­ten und Jah­ren noch stark beschäftigen.

Spieth mahnt, das Ver­hält­nis zwi­schen Mie­tern und Ver­mie­tern nicht durch poli­ti­sche Ent­schei­dun­gen zu ver­schär­fen. Ver­mie­ter müss­ten natür­lich die Mög­lich­keit haben, Inves­ti­tio­nen ein Stück weit wei­ter­zu­ge­ben. Der Bund sei aber gefor­dert, dafür gute Leit­plan­ken zu set­zen und vor allem den sozia­len Aspekt nicht aus den Augen zu ver­lie­ren. „Da muss der Bund wirk­lich auf­pas­sen“, mahnt Spieth. Mit Blick auf Hil­des­heim set­ze er gro­ße Hoff­nun­gen in die kom­mu­na­le Wär­me­pla­nung, die die Stadt bis Ende 2026 abschlie­ßen muss. Dann wer­de für alle Betei­lig­ten mehr Klar­heit herrschen.

Kap­pungs­gren­ze für Erhö­hun­gen geplant

Das neue Hei­zungs­ge­setz wur­de mit Blick auf die Situa­ti­on Mie­te­rin­nen und Mie­tern in wesent­li­chen Punk­ten gegen­über dem ers­ten Ent­wurf ent­schärft. Zu die­sem Schluss kommt der Deut­sche Mie­ter­bund, der auch für den Hil­des­hei­mer Mie­ter­ver­ein die Dach­or­ga­ni­sa­ti­on ist. Um die­se Rege­lun­gen wur­de zwi­schen den Ampel-Frak­tio­nen inten­siv gerun­gen. Aus Sicht des Mie­ter­bun­des hat­ten SPD und Grü­ne dabei eher die Inter­es­sen der Mie­te­rin­nen und Mie­ter im Blick, die FDP ach­te­te eher auf die Aus­wir­kun­gen auf Ver­mie­te­rin­nen und Vermieter.

Die nun vor­ge­se­he­nen Ände­run­gen sehen eine soge­nann­te Kap­pungs­gren­ze für Mie­ten vor: Die­se sol­len nicht um mehr als 50 Cent pro Qua­drat­me­ter Wohn­flä­che anstei­gen dür­fen, weil eine neue Hei­zung in der Woh­nung ein­ge­baut wird.

Rechts­la­ge nicht verschlechtert?

Set­zen Ver­mie­te­rin­nen oder Ver­mie­ter indes noch wei­te­re Moder­ni­sie­rungs­maß­nah­men in den Woh­nun­gen um, soll die Mie­te wie bis­lang um 2 bis 3 Euro ange­ho­ben wer­den dür­fen. Das wür­de zumin­dest sicher­stel­len, dass sich die Situa­ti­on für Mie­te­rin­nen und Mie­ter gegen­über der aktu­el­len Rechts­la­ge nicht ver­schlech­te­re, sag­te Lukas Sie­ben­kot­ten, Prä­si­dent des Deut­schen Mie­ter­bun­des, der Nach­rich­ten­agen­tur dpa.

Eine wei­te­re geplan­te Rege­lung: Wenn die Mie­te durch eine Moder­ni­sie­rung auf mehr als 30 Pro­zent des Haus­halts­ein­kom­mens der betrof­fe­nen Mie­ter stei­gen wür­de, sol­len Ver­mie­te­rin­nen und Ver­mie­ter dürf­ten die mit der Moder­ni­sie­rung ver­bun­de­nen Kos­ten nur teil­wei­se umlegen.

Schlag für Vermieter?

Wäh­rend der Mie­ter­bund die­se Plä­ne lobt, moniert der Immo­bi­li­en­ver­band Deutsch­land ein Ungleich­ge­wicht: Es dro­he eine extre­me Belas­tung für Ver­mie­te­rin­nen und Ver­mie­ter – denn die­se müss­ten den Groß­teil des Risi­kos einer Kos­ten­ex­plo­si­on tragen.

Quel­le: hildesheimer-allgemeine.de | 20.07.23