„Lego für Erwachsene“: Neues Wohnhaus bekommt letztes Modul
11. Juli – Viktoria Hübner
Kreiswohnbau setzt Richtkrone: Systembauunternehmen zieht dreigeschossiges Gebäude in der Friedrich-Ebert-Straße binnen weniger Tage hoch
Sarstedt. Noch am Montagmorgen war auf der Baustelle in der Bismarckstraße nichts außer einer großen Betonplatte zu sehen. Keine fünf Tage später erhebt sich dort ein dreigeschossiger Gebäudekomplex. Wohnungsbau im Zeitraffer. Im Auftrag der Kreiswohnbaugesellschaft (kwg) hat das Systembauunternehmen ALHO aus dem rheinland-pfälzischen Friesenhagen ein Mehrfamilienhaus in Modulbauweise hochgezogen. Der 3,35 Millionen Euro teure Neubau ist ein klassisches Projekt innerstädtischer Nachverdichtung. Am gestrigen Freitag bekam das neue Mietshaus in kleiner Runde seine Richtkrone aufgesetzt.
Der Geruch von heißer Teerpappe liegt in der Luft. Eine kreischende Flex hallt über die Baustelle und auf dem Gerüst sprühen die Schweißgeräte Funken. Auf dem einstigen Grabeland der früheren 1950er Jahren sind nun Bauarbeiter dabei, einen Wohnkomplex in Modulbauweise hochzuziehen. „Ein Wohnhaus mit 16 Wohnungen in vier Tagen zu bauen, kann man fast mit Lego für Erwachsene vergleichen“, sagt Kreiswohnbau-Geschäftsführer Matthias Kaufmann.
Und tatsächlich geht es hier ähnlich zu wie beim Spiel mit den bunten Plastikbausteinen. Das Modul – ein Stahlkonstrukt mit Trockenbauwänden – wird per Kran nach oben gehievt und an bestimmten Punkten mit anderen Modulen verschweißt. Eine Wohnung besteht aus zwei Modulen, auch das Badezimmer ist schon fertig darin enthalten. Was dann noch folgt, sind Dämmung und Putzfassade. Die Module, die nun von Schwerlasttransportern angeliefert werden, lagerten vorübergehend an der Hildesheimer Straße.

„Vom Grundriss ist dieses Gebäude dem Argentumwohnbau sehr ähnlich“, erklärt kwg-Mitarbeiter Stefan Mai. Ab November sollen die ersten Mieter in die Zwei- bis Drei Zimmer-Wohnungen – jeweils zwischen 68 und 77 Quadratmeter groß und mit Terrasse oder Balkon ausgestattet – einziehen. Der Quadratmeterpreis liegt bei 9 Euro. Noch sind nicht alle Appartements vermietet, „aber wir haben eine sehr lange Interessentenliste“, sagt kwg-Mitarbeiter Milano Werner.
Mit dem Neubau trägt das kommunale Wohnungsbauunternehmen nicht nur der Nachfrage nach Zwei- und Drei-Zimmer-Wohnungen Rechnung, es kommt auch dem Konzept der Stadt nach, Lücken in bestehenden Baustrukturen zu schließen. Denn Sarstedt ist, was die Ausweitung von Flächen angeht, begrenzt. Ein Aspekt, den kwg-Aufsichtsratsvorsitzender Klaus Bruer, hervorhebt. Sein vor fünf Jahren noch als Ratsherr eingebrachter Antrag zur Innenstadtverdichtung sei bis heute „sehr erfolgreich umgesetzt“. Etwa am Kipphut, wo die Kreiswohnbau erst vor zwei Wochen dem fünften hohen Haus die Richtkrone aufsetzen konnte.
Ein Termin, auf den auch Bürgermeisterin Heike Brennecke einging. Nur, dass dort in die Höhe, hier mehr in die Breite gebaut werde: etwa zwölf mal 40 Meter. Das Gebäude ist aus dem Wettbewerb „Serielles Bauen“ des GdW Bundesverbands deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmen als größter deutscher Branchendachverband entstanden.
Kaufmann brach indes eine Lanze für die Modulbauweise. Kosten, Termine, Qualität. „Völlig unsicher“ beim konventionellen Bau, meint Kaufmann. Selbst großer Anhänger der industriellen Vorfertigung hob der Architekt die wetterunabhängige Produktion im Werk hervor, und einem damit gleich bleibend hohen Qualitätsstandard. Zudem seien die Kosten fix, es gebe keine endlose Flut an Nachträgen, die den Preis in die Höhe treiben. Und die extrem zeitsparende Modulbauweise mache die Realisierung eines Neubaus im vorgegebenen zeitlichen Rahmen erst möglich.
Bauen generell sei überdies weder einfacher noch billiger geworden, so Kaufmann. Gesetzliche Regelungen in Punkto Energie, Schallschutz, Archäologie, aber auch das Planungsrecht setzten Wohnungsunternehmen höhere Hürden. „Berechtigt“, schiebt Kaufmann hinterher, „aber das macht es eben schwieriger und teurer.“ Entsprechend schaut sich die Branche um, wie sie gewinnbringend bezahlbaren Wohnraum umsetzen kann.
Das serielle Bauen ist daher auch beim Verband der Wohnungs- und Immobilienwirtschaft (vdw) in Niedersachsen und Bremen ein Riesenthema im Bereich des bezahlbaren Wohnens. Für die Dachorganisation der unternehmerischen Wohnungswirtschaft in beiden Bundesländern, die wiederum der GdW angehört, ist der Modulbau am Standort Sarstedt ein Pilotprojekt, erklärt Verbandsdirektorin Susanne Schmitt. Gerade auch vor dem Hintergrund der bislang immer nur steigenden Baukosten. Vergangenes Jahr davongaloppiert, stelle sich nun die Frage: Wo geht die Reise nach Corona hin? Hoch, runter, auf dem hohen Level verharrend? Neben den gut zu kalkulierenden Kosten überzeugt Schmitt auch die Termintreue. „Jeder Monat kostet Geld“, sagt sie.
Kaufmann bedankte sich anschließend unter anderem bei den Anwohnern, die eine „heftige Woche“ über sich ergehen lassen mussten. Doch das Schlimmste sei nun überstanden.
Quelle: Hildesheimer Allgemeine Zeitung (Sarstedter Anzeiger), 11. Juli 2020.