kwg Hildesheim - Wohnen im Hildesheimer Stadtgebiet. Foto GOSSMANN

Ste­tig stei­gen­de Miet­prei­se – und war­um sich bei Sta­tis­ti­ken immer ein zwei­ter Blick lohnt

28. Mai  –  kwg Hildesheim

Die Mie­ten für Woh­nun­gen in der Stadt Hil­des­heim stei­gen seit Jah­ren. War­um aber unter­schei­den sich aktu­el­le Ana­ly­sen von den Daten des offi­zi­el­len Miet­spie­gels? Ein Überblick.

 

Woh­nen im Hil­des­hei­mer Stadt­ge­biet ist in den ver­gan­ge­nen Jah­ren zuneh­mend teu­er gewor­den – das gilt nicht nur für Käu­fer, auch Woh­nungs­mie­ten sind ste­tig gestie­gen. FOTO: CHRIS GOSSMANN

Von Jan Fuhr­hop und Tarek Abu Ajamieh
Es gibt wohl kaum einen Bereich der Wirt­schaft und der Gesell­schaft, auf den die Coro­na-Pan­de­mie kei­nen Ein­fluss hat. Das gilt auch für den Miet­woh­nungs­markt – zum Bei­spiel gel­ten beson­de­re Bestim­mun­gen und Vor­sichts­maß­nah­men bei Um- und Neu­ein­zü­gen, außer­dem grei­fen Son­der­be­stim­mun­gen beim Kün­di­gungs­recht (sie­he Arti­kel unten).

Auf die durch­schnitt­li­chen Miet­prei­se in Hil­des­heim schlägt die Kri­se bis­lang aller­dings offen­sicht­lich nicht durch – sie sind zumin­dest nach einer Aus­wer­tung des Immo­bi­li­en­por­tals Immo­welt gegen­über dem Zeit­raum Sep­tem­ber bis Dezem­ber 2019 erneut leicht gestie­gen. Dem­nach lag der Qua­drat­me­ter­preis (Net­to­kalt­mie­te) für neu­ver­mie­te­te Bestands­woh­nun­gen zwi­schen Janu­ar und April 2020 bei 7,10 Euro und damit um 10 Cent höher als in der Zeit von Sep­tem­ber bis Dezem­ber ver­gan­ge­nen Jah­res. Der vor­he­ri­ge Durch­schnitts­wert von Janu­ar bis August 2019 hat­te noch bei 6,70 Euro gele­gen. Damit bleibt es dabei – die Miet­prei­se in Hil­des­heim ken­nen nur einen Weg: nach oben. Aus einer Anfang 2020 ver­öf­fent­lich­ten Zehn-Jah­res-Stu­die des Unter­neh­mens geht her­vor, dass der durch­schnitt­li­che Qua­drat­me­ter-Miet­preis in der Stadt Hil­des­heim von 2009 bis 2019 von ledig­lich bei 5,10 Euro um ins­ge­samt 37 Pro­zent gestie­gen ist.

Das Unter­neh­men wer­tet regel­mä­ßig Miet­prei­se aus 81 deut­schen Groß­städ­ten mit mehr als 100 000 Ein­woh­nern aus und greift dabei auf die inse­rier­ten Ange­bo­te im eige­nen Ver­mitt­lungs­por­tal zurück. Als Grund­la­ge die­nen die Ange­bots­prei­se von Woh­nun­gen zwi­schen 40 und 120 Qua­drat­me­tern, die 2016 oder frü­her fer­tig­ge­stellt wur­den. Am Diens­tag­nach­mit­tag fie­len bei einer HAZ-Stich­pro­be 23 Woh­nun­gen aus dem aktu­el­len Immo­welt-Pool in die­se Kategorie.

Dass die Daten des Online-Por­tals die Ent­wick­lung auf dem erhitz­ten Miet­markt zumin­dest für einen gro­ßen Anteil durch­aus rea­lis­tisch wider­spie­geln, zeigt ein Ver­gleich mit Zah­len aus der aktu­el­len Ant­wort der Bun­des­re­gie­rung auf eine Anfra­ge des Lin­ken-Bun­des­tags­ab­ge­ord­ne­ten Vic­tor Per­li aus Wol­fen­büt­tel. Die Regie­rung bezieht sich dabei auf die Aus­wer­tung zwei­er Immo­bi­li­en­markt-Ana­ly­se­un­ter­neh­men. Sie haben die Durch­schnitts­mie­te für die Stadt Hil­des­heim für das Jahr 2012 auf 5,12 Euro taxiert, für 2019 auf 6,94 Euro.

Um die Gesamt­si­tua­ti­on auf dem Miet­markt bewer­ten zu kön­nen, sind aller­dings noch zwei Aspek­te zu berück­sich­ti­gen. Zum einen in Bezug auf die zahl­rei­chen Woh­nun­gen der Woh­nungs­bau­ge­sell­schaf­ten gbg, kwg und BWV: Die sind oft noch etwas güns­ti­ger sind als die auf dem Pri­vat­markt ver­mie­te­ten Woh­nun­gen, wer­den aber meist nicht über Online- und Print-Inse­ra­te ange­bo­ten, son­dern über eige­ne War­te­lis­ten direkt ver­mie­tet – die­se Miet­prei­se flie­ßen des­halb auch nicht in die von Immo­welt und ande­ren Ana­lys­ten erho­be­nen Sta­tis­ti­ken mit ein.

Und hier kommt der zwei­te Aspekt zum Tra­gen: Denn die Daten der Woh­nungs­bau­ge­sell­schaf­ten sind ande­rer­seits wich­ti­ge Grund­la­ge für den Miet­spie­gel, der eine orts­üb­li­che Ver­gleichs­mie­te bezif­fern und so, platt gesagt, Wucher und Abzo­cke ver­hin­dern bezie­hungs­wei­se offen­le­gen soll. So auch in Hil­des­heim. Hier liegt der ers­te Miet­spie­gel seit 2018 vor, in die­sem Jahr soll er aktua­li­siert und 2021 in der aktua­li­sier­ten, zwei­ten Ver­si­on ver­öf­fent­licht wer­den. Für die­ses For­mat wer­den durch Mie­ter- und Ver­mie­ter­be­fra­gun­gen rea­le Mie­ten erho­ben – und zwar auch von Miet­ver­hält­nis­sen, die schon eini­ge Jah­re bestehen und somit nicht die Prei­se wie­der­ge­ben, die bei Neu­ver­mie­tun­gen aktu­ell auf dem Markt ver­langt wer­den. So ist also die Dis­kre­panz zwi­schen dem aus dem der­zeit gül­ti­gen Hil­des­hei­mer Miet­spie­gel zu ermit­teln­den Durch­schnitts­preis von 5,83 Euro pro Qua­drat­me­ter und dem Immo­welt-Wert von 7,10 Euro zu erklären.

Nach den von der Bun­des­re­gie­rung ver­öf­fent­lich­ten Daten sind die Ange­bots­mie­ten in den 28 größ­ten nie­der­säch­si­schen Städ­ten seit 2012 ins­ge­samt stark gestie­gen. Die jähr­li­che Stei­ge­rung beträgt im Schnitt 4,1 Pro­zent. In meh­re­ren Städ­ten wie Lüne­burg, Han­no­ver und Göt­tin­gen muss­ten Woh­nungs­su­chen­de im Jahr 2019 eine Kalt­mie­te von durch­schnitt­lich über 9 Euro pro Qua­drat­me­ter zahlen.

Die jetzt von Immo­welt ver­öf­fent­lich­te Sta­tis­tik für Groß­städ­te belegt, dass der deutsch­land­wei­te Trend der ver­gan­ge­nen Jah­re zu stei­gen­den Wohn­kos­ten wei­ter anhält: In 57 von 81 unter­such­ten Städ­ten wur­den Miet­woh­nun­gen teu­rer, im Extrem­fall wie in Reut­lin­gen um bis zu zwölf Pro­zent. Selbst die für extre­me Mie­ten bekann­te baye­ri­sche Lan­des­haupt­stadt Mün­chen leg­te noch ein­mal um vier Pro­zent zu: Dort lag die durch­schnitt­li­che Mie­te der auf Immo­welt ange­bo­ten Woh­nun­gen im ers­ten Quar­tal des lau­fen­den Jah­res bei 17,30 Euro pro Quadratmeter.

Die Nach­fra­ge bleibt hoch
In Hil­des­heim wird wei­ter mun­ter umge­zo­gen, die Coro­na-Kri­se ändert, anders als von vie­len Fach­leu­ten pro­gnos­ti­ziert, nichts dar­an. Zu die­ser Erkennt­nis kom­men die Hil­des­hei­mer Wohn­bau­ge­sell­schaf­ten kwg und gbg sowie das pri­va­te Unter­neh­men Haack Immo­bi­li­en, das in Hil­des­heim inzwi­schen meh­re­re hun­dert Woh­nun­gen sein eigen nennt. Die Nach­fra­ge sei unver­än­dert hoch, es sei­en sogar zusätz­li­che Woh­nun­gen auf den Markt gekom­men. Tat­säch­lich stei­gen die Miet­prei­se unver­än­dert wei­ter, wie eine aktu­el­le Stu­die zeigt.

„Man­cher hat sich ent­schie­den, Betriebs- oder Zweit­woh­nun­gen zu ver­mie­ten, um Ein­nah­me­ver­lus­te durch die Kri­se aus­zu­glei­chen“, berich­tet Ruben Haack, Mit­ge­sell­schaf­ter des Fami­li­en­un­ter­neh­mens aus Hem­min­gen. So sei­en auch eini­ge zuletzt leer­ste­hen­de Woh­nun­gen auf den Markt gelangt.

Einen Markt, auf dem die Nach­fra­ge weit­ge­hend unver­än­dert ist, wie neben Haack auch kwg und gbg beob­ach­ten. Die Fluk­tua­ti­on sei allen­falls mini­mal gerin­ger, es habe eine hand­voll Kün­di­gungs- Rück­nah­men gege­ben, berich­tet kwg-Chef Mat­thi­as Kaufmann.

Auf­ge­fal­len ist ihm aller­dings, dass poten­zi­el­le neue Mie­ter geziel­ter auf das Unter­neh­men zukä­men: „Es gibt kaum all­ge­mei­ne Anfra­gen – wer kommt, hat sich vor­ab schon infor­miert und sehr kon­kre­te Vor­stel­lun­gen.“ Als „gleich­blei­bend hoch“ bewer­tet gbg-Spre­cher Frank Satow die Nach­fra­ge nach Miet­woh­nun­gen in Hil­des­heim. Und auch Ruben Haack stellt fest: „Ich hat­te einen Ein­bruch befürch­tet, aber den gibt es über­haupt nicht.“

Alle drei Unter­neh­men berich­ten, dass es mit Woh­nungs­be­sich­ti­gun­gen kaum Pro­ble­me gebe. Bei sol­chen Ter­mi­nen trü­gen alle Betei­lig­ten Mund-Nasen-Schutz, auch Des­in­fek­ti­ons­mit­tel stün­den oft zur Ver­fü­gung. Nach Mög­lich­keit soll bei sol­chen Ter­mi­nen nur ein Ver­tre­ter der mög­li­chen neu­en Miet­par­tei dabei sein. Haack Immo­bi­li­en staf­felt zum Bei­spiel Besich­ti­gungs­ter­mi­ne und schleust Inter­es­sen­ten ein­zeln durch. Und kwg-Chef Kauf­mann stellt fest, dass die meis­ten Mie­ter kein Pro­blem damit haben, mög­li­che Nach­mie­ter in ihre Woh­nun­gen zu las­sen. „Das wird nur in ganz weni­gen Fäl­len abgelehnt.“

Im Pri­vat­be­reich hal­ten sich nach wie vor die Miet­aus­fäl­le durch Coro­na in Gren­zen. Von einem „mini­ma­len Anstieg“, berich­tet Kauf­mann. Bei gut 4000 Woh­nun­gen gebe es bis­lang zwölf Anträ­ge auf Stun­dung der Miet­zah­lun­gen. Die gbg spürt dies vor allem bei gewerb­li­chen Mie­tern, Haack spricht von „ganz weni­gen Fällen“.

Mat­thi­as Kauf­mann plagt aller­dings die Sor­ge, dass die gegen­wär­tig ent­spannt wir­ken­de Lage nicht von Dau­er sein könn­te: „Ich fürch­te schon, dass in der lang­fris­ti­gen Fol­ge von Coro­na die Arbeits­lo­sig­keit steigt und mehr Men­schen Pro­ble­me bekom­men könn­ten, ihre Woh­nun­gen zu bezah­len. Wich­tig sei, dass der Staat Hil­fen unbü­ro­kra­tisch und mög­lichst auch digi­tal zur Ver­fü­gung stelle.

Doch wie fin­den Umzü­ge in Coro­na- Zei­ten eigent­lich statt, wel­che Vor­ga­ben gel­ten dafür? Das Land ver­mei­det dazu abso­lu­te Ver­bots-For­mu­lie­run­gen: Umzü­ge „soll­ten“ dem­nach, wenn mög­lich, mit einer Umzugs­fir­ma unter Wah­rung des Min­dest­ab­stands von andert­halb Metern zwi­schen den ein­zel­nen Mit­ar­bei­tern durch­ge­führt wer­den. Ist ein Umzug unbe­dingt nötig, der Ein­satz einer Fir­ma aber nicht mög­lich, „soll­ten“ die Mit­glie­der des gemein­sa­men oder eines zwei­ten Haus­stands die Möbel schlep­pen – eben­falls unter Wah­rung der Abstandsregeln.

IN ZAHLEN
62,9
Pro­zent der Woh­nun­gen in Hil­des­heim waren zum Zeit­punkt der jüngs­ten Erhe­bung (Zen­sus 2011) ver­mie­tet. 32,4 Pro­zent wur­den vom Eigen­tü­mer bewohnt, der Rest stand leer oder wur­de als Feri­en­woh­nung genutzt.
47,9
Pro­zent der Woh­nun­gen im gesam­ten Land­kreis wur­den vom Eigen­tü­mer bewohnt, in den Umland-Gemein­den ist der Anteil der Eigen­nut­zung also deut­lich höher. Die höchs­ten Quo­ten mit gut 70 Pro­zent gab es in Alger­mis­sen und Sibbesse.
30,9
Pro­zent der Woh­nun­gen in Hil­des­heim hat­ten vier Zim­mer, dies war die größ­te Grup­pe. auf Platz zwei folg­ten Drei-Zim­mer-Woh­nun­gen (25 Pro­zent) vor Fünf-Zim­mer-Woh­nun­gen (16 Prozent).

IN KÜRZE
Wer darf beim Umzug helfen?
Das Land ver­mei­det dazu abso­lu­te Ver­bots-For­mu­lie­run­gen: Umzü­ge „soll­ten“ dem­nach, wenn mög­lich, mit einer Umzugs­fir­ma unter Wah­rung des Min­dest­ab­stands von andert­halb Metern zwi­schen den ein­zel­nen Mit­ar­bei­tern durch­ge­führt wer­den. Ist ein Umzug unbe­dingt nötig, der Ein­satz einer Fir­ma aber nicht mög­lich, „soll­ten“ die Mit­glie­der des gemein­sa­men oder eines zwei­ten Haus­stands die Möbel schlep­pen – eben­falls unter Wah­rung der Abstandsregeln.

Quel­le: Hil­des­hei­mer All­ge­mei­ne Zei­tung, 28. Mai 2020