
Wohngeld: Massiver Anstieg
03. Juni – Tarek Abu Ajamieh
Einkommens-Einbußen durch Kurzarbeit lassen deutlich mehr Menschen in Stadt und Landkreis auf staatliche Beihilfen zur Miete zurückgreifen
Von Tarek Abu Ajamieh
Hildesheim. Die Zahl der Menschen in Stadt und Landkreis Hildesheim, die ihre Miete nur mithilfe staatlicher Zuschüsse bezahlen können, ist im Zuge der Corona-Krise in Stadt und Landkreis Hildesheim sprunghaft angestiegen. Das ergab eine Anfrage der HAZ an Stadt- und Kreisverwaltung, die für die Bewilligung und Auszahlung dieser Leistung zuständig sind. Ein erheblicher Anteil der Anträge stammt von Arbeitnehmern, die in Kurzarbeit geschickt wurden und plötzlich deutlich weniger Einkommen zur Verfügung hatten als gewohnt.

Diesen Antrag haben in diesem Frühjahr deutlich mehr Menschen in Stadt und Landkreis Hildesheim ausgefüllt als zur gleichen Zeit im Vorjahr. Hauptgrund dafür: Viele hatten erhebliche Einkommens-Einbußen durch Kurzarbeit. FOTO: CHRIS GOSSMANN
Wohngeld ist eine staatliche Leistung, die Menschen zusteht, die trotz eigenen Einkommens ihre Miete nicht mehr bezahlen können. Das können zum Beispiel Arbeitnehmer, aber auch Studenten sein. Dafür gibt es Berechnungsformeln, welches verfügbare Einkommen den Betroffenen nach Zahlung der Miete noch bleiben muss. Vorausgesetzt, die Wohnung, um die es geht, ist von Größe und Ausstattung „angemessen“. Auch dafür gibt es ausführliche Regularien.
Wohngeld ist eine Möglichkeit für Mieter, zu vermeiden, dass sie mit ihren Zahlungen in Rückstand geraten oder um Stundungen bitten müssen – was in Stadt und Landkreis bislang allerdings ohnehin nur in geringem Maße vorkam. Auch Besitzer von Häusern oder Wohnungen können unter bestimmten Bedingungen Wohngeld bekommen, die Leistung heißt dann Lastenzuschuss.
Die Stadt Hildesheim verzeichnete bereits in den ersten beiden Monaten des Jahres eine Zunahme der Anträge um 25 Prozent gegenüber dem gleichen Zeitraum des Vorjahres. Das führt die Verwaltung auf eine Gesetzesnovelle zum Jahreswechsel zurück, in deren Folge mehr Menschen als zuvor Anspruch auf Wohngeld bekamen.
150
Euro betrug das durchschnittliche Wohngeld pro Person und Monat in den vergangenen Jahren in Stadt und Landkreis Hildesheim. demnach müsste in diesem Jahr allein der Kreis rund 2 Millionen Euro für diese Leistung ausgeben.
Doch auch in der Zeit von März bis Mai ging ein Viertel mehr Anträge ein als im gleichen Zeitabschnitt 2019. In dieser Zeit beantragten insgesamt 535 Hildesheimer Wohngeld, 67 davon gaben beim Einkommen Einkünfte aus Kurzarbeit an. Die Zahl der Haushalte, die Wohngeld beziehen, stieg in der Kreisstadt von 980 Anfang März über 1028 im April auf 1059 Anfang Mai. Mit Stand vom 27. Mai lag ihre Zahl sogar bei 1114. Mehr als zwei Drittel aller Anträge werde bewilligt, 27 Prozent abgelehnt und ein Prozent zurückgezogen.
Für alle anderen Städte und Gemeinden im Landkreis ist die Wohngeldstelle der Kreisverwaltung zuständig – und auch sie verbuchte einen massiven Anstieg bei den Anträgen. Auch dort begann der Trend bereits im Januar und Februar, allerdings in geringerem Ausmaß als im Stadtgebiet. Im März und April explodierte die Zahl geradezu und stieg um mehr als 50 Prozent gegenüber den gleichen Monaten im vergangenen Jahr: Hatten im März 2019 noch 131 Haushalte im Landkreis Hildesheim neu Wohngeld beantragt, waren es in diesem März 206. Im April schoss die Zahl der Anträge gegenüber dem Vorjahr von 138 auf 2018 nach oben.
Im Mai bahnt sich allerdings ein Ende der Antragsflut an – was vor allem damit zusammenhängen dürfte, dass zahlreiche Beschränkungen in Handel, Gastronomie und anderen Branchen aufgehoben wurden und auch in weiten Teilen von Industrie Dienstleistungs-Gewerbe die Kurzarbeit wieder zurückging. 141 Wohngeld-Anträge waren im Mai 2019 beim Landkreis eingegangen, in diesem Jahr waren es bis Mittwoch vergangener Woche, also zwei Tage vor Monatsende, nur 137 neue Anträge.
Der Landkreis bearbeitet nach eigenen Angaben Wohngeld-Anträge derzeit zügiger als sonst. Auf 3,75 Werktage beziffert die Verwaltung die durchschnittliche Bearbeitungszeit, sofern alle nötigen Unterlagen eingereicht wurden. Im Vorjahr habe dieser Wert bei viereinhalb Tagen gelegen.
Stichwort: Wohngeld
Wie viel Wohngeld jemand bekommt, liegt nicht nur an Einkommen und Miethöhe, sondern auch am Wohnort. Bundesweit wird jede Kommune einer von sieben Mietstufen zugeordnet. Hildesheim liegt zum Beispiel in der Mietstufe drei, das bedeutet ein maximales Wohngeld von 426 Euro für eine Person pro Monat. Kommunen wie Alfeld, die der Mietstufe eins zugeordnet sind, liegt der Höchstbetrag bei 338 Euro. Durchschnittlich erhielten Wohngeld-Empfänger im Landkreis Hildesheim in den vergangenen Jahren knapp 150 Euro pro Person und Monat.
Wer seine Ansprüche wahren will, kann auch zunächst einen formlosen Antrag stellen und Unterlagen wie Mietverträge und Einkommensnachweise nachreichen. Denn eine Bewilligung von Wohngeld ist frühestens zum Zeitpunkt der Antragstellung möglich.
Quelle: Hildesheimer Allgemeine Zeitung, 03. Juni 2020